Wenn das Zähneziehen zum Glücksspiel wird
Tausendmal geschaut…
„Die Zange geht ja gar nicht!“ oder „46? Viel Spaß beim Verrenken!“… so und so ähnlich wurde unser kleiner Film zum Freitag, dem 13. in den sozialen Netzwerken diskutiert. Über 40.000 User erreichte er binnen 48 Stunden und wurde dabei 13.000 mal angeschaut – ein großer Erfolg für einen kleinen Film, fast schon ein richtiger Blockbuster.
Wer unseren heiteren Streifen nicht gesehen haben sollte, kann ihn hier noch mal schauen:
Weisheitszahn oder Backenzahn?
Doch es wurde nicht nur viel gelacht, geteilt und geliked, sondern auch extrem viel kommentiert. Besonders in den landesweiten Facebook-Gruppen des zahnmedizinischen Fachpersonals. Stein des Anstoßes ist eine Film-Sequenz von nicht mal drei Sekunden Länge: Der Moment als Zahnarzt Roger Barz schließlich zur Extraktion schreitet. Warum nimmt er hier eine Zange für einen oberen Weisheitszahn (Zahn 18) und nicht eine Zange für den unteren Backenzahn (Zahn 46)? Weiß der nicht, was er tut? Oder hat es einen anderen Grund?
Hauptsache spektakulär!
Nein, es hatte sogar mehrere Gründe: Dramaturgie, kein Glück im Spiel und ein Anschlussfehler. Das passiert, wenn man einen Clip in kürzester Zeit und ohne aufwendige Filmcrew abdrehen möchte.
„Zu einem erfolgreichen Film gehört nicht nur eine witzige und schlüssige Story, sondern auch die richtige Requisite.“ schildert Roger Barz. „Ich brauchte für diese Geschichte eine möglichst imposante Zange.

Eine Zange, die den Zuschauern da draußen schon mal ein bisschen Angst machen darf. Da fand ich eine spitze Zange für einen oberen Weisheitszahn als das passende Objekt. Ohne in dem Moment eigentlich darüber nachzudenken, dass man mit unserer praktizierten Würfelmethode überhaupt keinen Achter ziehen kann. Kein Würfel hat acht Augen für einen Zahn 1/8 oder 2/8. Aber schön sieht sie aus, unsere Zange.“

Kein Glück im Spiel
Dabei war es schon schwer genug, einen Backenzahn überhaupt zu würfeln. Die Dreharbeiten mit unserem Team und der Schauspielerin haben nicht viel länger als eine Dreiviertelstunde gedauert. Lag vermutlich auch daran, weil unsere „Patientin“ so richtig drin war in ihrer Rolle. Schließlich kam sie direkt von einem Zahnarztbesuch bei einem anderen Kollegen.
Nachdem alle Szenen im Kasten waren und unsere Akteure die Praxis Zahngesundheit Halle dann verlassen hatten, mussten „nur noch“ die Würfelszenen im Detail gedreht werden. Leichter gesagt, als getan. Es wurde gewürfelt und gewürfelt und gewürfelt: … 25… 33… 42… 15… 34… es wollte einfach keine 11er-Kombination und keine 46er-Kombination fallen.
Nach gefühlt einer halben Stunde fiel endlich die Zahl 1/1 und dann auch gleich im Anschluss die Zahl 4/6. Hurra, endlich geschafft! Das war schwieriger als gedacht. Doch warum hat der Zahnarzt plötzlich beim zweiten Würfelwurf einen Mundschutz um? Zu blöd, Anschlussfehler! Noch einmal nachdrehen…
Bloß keinen Fehler machen!
Wie bei einer „richtigen“ Filmproduktion filmen auch wir nicht alle Szenen in einer chronologischen Reihenfolge ab, sondern folgen einem festgelegten Drehplan. Hier entscheiden eher organisatorische und logistische Überlegungen für die Abfolge. Alle Szenen mit den Akteuren werden zuerst und dann schließlich alle Einstellungen ohne Schauspieler gedreht. Dabei können sich im Nachhinein eine Menge Fehler einschleichen.
Eine Uhr an der Wand zeigt die falsche Zeit an, eine Kerze brennt höher als zuvor, eine Requisite ist plötzlich verschwunden oder es sind unvermittelt andere Personen im Hintergrund sichtbar, als in der vorherigen Szene. Eingeschworene Cineasten lieben solche Szenen und haben einen riesen Spaß dabei, solche dilettantischen Fehler, auch in großen Hollywood-Produktionen, aufzuspüren. Diesen Fauxpas nennt man dann Anschlussfehler.
Hier unter diesem Link können Sie die 60 größten Fehler der Kino-Geschichte erfahren. Da gibt es wirklich unglaubliche Szenen!
Regisseuren ist das besonders peinlich. Deswegen wird bei den großen Filmproduktionen ein Heer an Script Supervisors beschäftigt. Sie machen von jeder Szene Fotos und achten auf Vollständigkeit der Requisite, das Erscheinungsbild der Schauspieler und den logischen Ablauf der Handlung, auch bei Änderungen im Drehbuch. Da dieser Job zu 90 Prozent von Frauen ausgeübt wird, nannte man sie früher auch Script Girl.
In unserem Fall hat ein Mann und der Schauspieler selbst bemerkt, dass der Mundschutz in dieser Szene einfach nichts zu suchen hat. Glückwunsch, Roger Barz!
Fotos: Fotolia & Roger Barz