Spart der Patient in Deutschland an seinen Zähnen?
Kein Grund zur Freude.
Rüstige Rentner, Flüchtlingskrise und höhere Laborkosten. Trotzdem steigen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Zahnersatz kaum, wie eine aktuelle Studie zeigt. Sind das nun guten Nachrichten für alle Versicherten?
Wohl kaum, denn bei diesem Nullsummenspiel gibt es nur einen Gewinner und das ist leider nicht der Patient.
Lesen Sie hier, warum es für Sie als Kassenpatient auch in Zukunft keinen Grund zum Jubeln gibt. Eine Analyse und Kommentar von Zahnarzt Roger Barz.
Ein Zahn muss gehen
Melanie B. kann es kaum glauben. Schlechte Nachricht von ihrem Zahnarzt. Ihr oberer Frontzahn muss leider raus. Ein Implantat soll es nun richten. „Das war die einzig richtige Entscheidung. Für eine herkömmliche Brücke hätte man die beiden gesunden Nachbarzähne beschleifen müssen. Das wollte ich nicht.“, so die 24jährige Bürokauffrau.
Doch der schlechten Nachrichten nicht genug. Als sie schließlich ihren Heil- und Kostenplan (HKP) erhält, traut sie ihren Augen nicht. „Beim Zuschuss von der gesetzlichen Krankenkasse stand dort eine lächerliche Zahl. Das darf doch nicht wahr sein! Ich zahl doch jeden Monat ordentlich ein und dann bekomme ich verschwindend wenig von der Krankenkasse? Wie ungerecht ist das denn!“
Immer fein raus
Mittlerweile ergeht es vielen Patienten so wie unserer jungen Frau. Wenn hochwertiger Zahnersatz benötigt wird, gibt es für den Patienten leider nichts mehr zu lachen. In den oberen Etagen der gesetzlichen Krankenkassen dagegen herrscht ausgelassene Champagne-Laune.
Wie eine neue Studie der großen Ersatzkassen (Barmer, TK, DAK & Co) zeigt, sind die Ausgaben der Versicherungen für Zahnersatz nahezu unverändert geblieben, obwohl die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eigentlich eine deutlich andere Sprache sprechen müssten.
Wir werden alle immer mehr
Die aktuelle Asylgesetzgebung, sinkende Arbeitslosenzahlen und immer älter werdende Rentner, noch nie war die Zahl der gesetzlich Versicherten in Deutschland so hoch wie dieser Tage. Trotzdem scheinen die Ausgaben für Zahnersatz wie eingefroren zu sein.
Von 2015 bis 2017 gaben die Kassen in jedem Jahr die immer gleiche Summe von 3,3 Milliarden Euro für die künstlichen Zähne ihrer Versicherten aus. Das sind mit 1,5 Prozent verschwindet geringe Beträge im Vergleich zu den Gesamtkosten im deutschen Gesundheitswesen. Nur der Bereich „Prävention und Selbsthilfe“ liegt mit 1,0 Prozent noch unter den Aufwendungen für Kronen, Brücken oder Prothesen. Wie geht denn so was?
Ein Lob für die guten Zahnärzte?
Sparen wir Deutschen stetig am Zahnersatz oder haben wir einfach nur gesündere Zähne? Klar befinden sich Karies und Parodontitis in allen Altersgruppen auf dem Rückzug, wie viele Studienergebnisse der letzten Jahre eindrucksvoll beweisen. Auch besitzen heute ältere Menschen viele länger ihre eigenen Zähne. War im Jahr 1997 noch jeder vierte von ihnen völlig zahnlos, so ist es heute nur noch jeder achte.
Doch mehr eigene Zähne bedeuten auch höhere Kosten. Eine hochwertige und teilweise goldhaltig gefertigte Teilprothese ist immer noch wesentlich kostspieliger als eine einfache Vollprothese aus Kunststoff.
Somit spielen auch die Zahnlabore eine nicht unerhebliche Rolle bei der Kostenentwicklung. Allein im Jahr 2017 gab es eine 2,5 prozentige Erhöhung der Herstellungskosten für Zahnersatz.
Für den niedergelassenen Zahntechniker gefühlt eine Verbesserung im Promillebereich. Berücksichtigt man aber, dass 50 bis 60 Prozent der Aufwendungen für Zahnersatz allein das Dentallabor ausmachen, dann ist das ganz gewiss keinen Pappenstiel. Trotzdem bewegt sich reinweg gar nichts bei den Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Eine Nullrunde halt.
Zuwachs auch von anderer Seite
Mit der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 sind 476.649 Asylbewerber – so die offizielle Zahl – in der Bundesrepublik registriert, die nun spätestens in 2017 im System der gesetzlichen Versicherungssysteme angekommen sind.
In den ersten 15 Monaten tragen nicht die Krankenkassen, sondern bestimmte Behörden, meistens ist es hier das örtliche Sozialamt, die Kosten für eine zahnärztliche Behandlung. Erlaubt sind dann dem Zahnarzt nur dringliche Notbehandlungen zur Schmerzlinderung. Zahnersatz darf nur im besonderen Einzelfall gewährt werden.
Sind aber die 15 Monate verstrichen – und das ist mit dem Jahr 2017 nun schließlich Realität – besteht ein ganz normaler Anspruch auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse. Es gibt dann beim Thema Zahnersatz keinen Unterschied mehr zwischen einem Geflüchteten und einem Kassenpatienten.
Da ein Großteil der Asylbewerber keiner beruflichen Tätigkeit nachgeht, wie der Mediendienst für Integration berichtet, haben sie einen Anspruch auf die komplette Erstattung ihrer Zahnersatzkosten. Auch diese unerwarteten Ausgaben bringen das Kostenmodell der gesetzlichen Krankenkassen nicht ins Wanken.
Wer zahlt die Zeche?
Doch wer entlastet die gesetzlichen Krankenkassen denn nun wirklich? Kurzum, es ist der anspruchsvolle Patient. Jener, der sich mit einem schlichten „Kassengestell“ einfach nicht zufrieden geben möchte.
Schöne und gesunde Zähne werden den Deutschen immer wichtiger.
Ein strahlendes Lächeln zeigen dürfen, ohne Angst, ein saftiges Steak genießen zu können oder nie mehr Zahnfleischbluten und Mundgeruch zu haben, wird heute im steigenden Maße als Lebensqualität definiert. Kein Wunder, dass die Zahl der Kassenpatienten, die eine Zahnzusatzversicherung abschließen, rasant in den letzten Jahren gestiegen ist.
Hoch die Tassen!
All das trägt zur rosigen Bilanz der gesetzlichen Krankenkassen bei. Mit ihrer Einführung der Festzuschüsse konnten die gesetzlichen Krankenkassen, trotz der veränderter Rahmenbedingungen, die Ausgaben für Zahnersatz in den letzten Jahren konstant niedrig halten. Allein mit der in 2005 getroffenen Definition von gleichartigen und andersartigen Zahnersatz ist es den Kassen sogar gelungen, noch mehr Zusatzkosten auf den Patienten abzuwälzen.
Der Trick ist simple. Man definiert den ästhetischen Standart für Zahnersatz besonders niedrig. Eine Brücke ganz und gar aus Metall gegossen? Eine Prothese mit Drahtklammern im Sichtbereich? Ein Zahnersatz, der nur mit viel Kleber halten kann? Wer will das schon?
Nicht mit mir!
Für immer weniger Patienten kommen solche Kassenlösungen in Frage. Sollte die Brücke im Backenzahnbereich des Unterkiefers nicht aus reinem Metall, sondern zahnfarben mit Keramik verblendet sein, kommen erhebliche Extrakosten auf den Patienten zu,
die sich noch deutlicher erhöhen – wenn er sich wie im Falle von Melanie B. – für ein Implantat entscheidet, um seine gesunden Nachbarzähne nicht angreifen zu müssen.
Für den Patienten können das Zusatzkosten von bis zu 2.000 Euro für einen einzigen Zahn bedeuten. Die gesetzliche Krankenkasse ist in jedem Falle immer fein raus.
Ihr Anteil an der Versorgung beträgt dann noch unter 20 Prozent. Dabei sollte heutzutage ein Implantat keine Luxusversorgung sein.
Hier werden Sie gespart!
Sparen am Zahnersatz kommt für die Deutschen immer weniger Frage. Im Gegenteil, für eine gute Lösung muss der Kassenpatient immer tiefer in die Tasche greifen. Das belastet das eigene Bankkonto und Haushaltskasse enorm.
Der Etat der gesetzlichen Krankenkassen dagegen hält sich nahezu schadlos.
Diese Rechnung geht scheinbar auf, denn auch im dritten Jahr in Folge verfestigt sich der Trend: Patienten in Deutschland sparen persönlich keineswegs am Zahnersatz, eher werden Sie gespart.
Ein Kommentar von Zahnarzt Roger Barz der Praxis Zahngesundheit Halle.
Falls Ihnen nach der Lektüre dieses Textes die gute Laune vergangen sein sollte und Sie jetzt glauben, dass es beim Zahnarzt noch weniger zu lachen gibt, der kann hier in diesem Artikel lesen, warum für unsere Praxis Humor so wichtig ist… besonders am Freitag nach Eins. Gute Unterhaltung!
Fotos: Hartmut Friedrich, Matthias Vogel, Roger Barz & Pixabay